von Magnus Enßle
Vom 7. bis zum 14. April war ich nach zwei Jahren wieder in Havanna. Alleine. Aufstehen, wann man will, ins Bett gehen, wann man will, essen wo und wann man will, rauchen, wann, sooft, solange wie man will. Einfach mal für eine Woche keine Termine, keinen Zeitplan, niemand, auf den man Rücksicht nehmen muß – völlig frei vom Bürostreß und der Familienhektik des Alltags. Entsprechend überschaubar war auch das Rahmenprogramm vor Ort. Neben den Besuchen bei Partagas und Cohiba gönnte ich mir nur einen organisierten Tagestrip ins Vinales- Tal. Den Rest des Urlaubs gestaltete ich nach Lust und Laune. Genächtigt habe ich im Hotel Deauville direkt am Malecon.
Der Tagestrip bereits am zweiten Tag war die klassische Pauschaltouristen- Tour. Mit rund 30 companeros waren wir im klimatisieren Reisebus 13 Stunden unterwegs. Alle Sehenswürdigkeiten und ein Mittagessen waren im Preis von 60 Euro inbegriffen – faire Sache. Die Ziele: nicht überraschend – die habe ich alle (wahrscheinlich sogar in der Reihenfolge) mit meiner Frau 2003 so gesehen. Zuerst machten wir nach etwa 2 Stunden Rast an der wohl einzigen einigermaßen attraktiven Haltestelle an der „Autobahn“. Der nächste Stopp war in Pinar del Rio, wo man zuerst die Rumfabrik Casa Garay besuchte. Meine Fresse war das voll. 4 Busladungen an Touris waren in den engen Räumlichkeiten. Für einen Besuch des Verkaufsraums durfte man gut 15 Minuten anstehen – wegen Überfüllung geschlossen. Ich mußte dennoch rein. Ein Bierchen habe ich mir gegönnt, diese Guayabita- Plörre kann man nicht trinken und hat auch wenig mit Rum zu tun. Anschließend ging es in die Vegueros- Cigarrenfabrik Francisco Donatién. Seeeehr übersichtlich, hat mit einer richtigen Cigarrenfabrik nichts zu tun. Absolutes Fotografierverbot galt dennoch. Man durfte nicht mal eine Handtasche mitnehmen, aus Sorge, dass man daraus heimlich Fotos machte. Danach ging es ein bisschen Mogotes- Gucken an der Aussichtsplattform beim Hotel Los Jazmines bei Vinales. Anschließend in die Cueva del Indio, in der ich nun auch schon 3x war. Die Sprüche und Witze vom Guide waren noch die selben wie vor zwei Jahren. Erschreckend, wenn man bedenkt, dass der Kerl seit über 2 Jahren jeden Tag 30 Gruppen den gleichen Witz erzählen muß. Zum Glück ist nicht das ganze Jahr Saison. Die vorletzte Station war das Gepinsel an der Mural de la Prehistorica, wo es den „weltbesten“ Pina Colada gab. Abschluß und Highlight der Reise war ein Besuch im Trockenschuppen eines Tabakbauern, der die Reisenden in die Kunst des Ciarrenwickelns einwieß. Schon während der Hinfahrt wurden wir darauf hingewiesen, dass man dort die -natürlich- beste Qualität an Cigarren direkt vom Erzeuger kaufen kann. Und so haben die Cigarren auch etliche Abnehmer gefunden, die auch glaubten, dass die in Bananenblätter eingewickelten Stumpen sich zuhause über ein Jahr halten. Gegen 20 Uhr war ich wieder am Hotel.
Zwei Tage verbrachte ich mit je einem größeren Sparziergang, 4-5 Stunden war ich beide Male unterwegs. Einmal Richtung Westen entlang des Malecon, vorbei am Hotel Nacional, die Avenida Paseo hoch zum Place de la Revolution. Zurück ging es gen Norden vorbei am Krankenhaus (Hospital Calixto Garcia) und an der Universität, rüber zum Hotel Habana Libre und über die Avenida 23 wieder auf den Malecon. Die zweite Tour führte nach Osten ins Industriegebiet. Vorbei am Castillo de San Salvador de la Punta runter zum Hafen, kurz durch den Künstler- und Schnickschnackmarkt Almacenes San José Artisans', vorbei am „Einheimischenbahnhof“ (La Coubre) und noch ein Stückchen weiter zu einem heruntergekommenen Fabrikgebäude, das ich bei Google Maps unter dem Namen Termoeléctrica de Tallapiedra gefunden habe. Zurück ging es über den Hauptbahnhof Estación Central de Ferrocarriles, wieder ein ganzes Stückchen weiter nach Westen zur Iglesia del Sagrado Coracon und über die Straße Simón Bolivar zum Capitol.
Die beiden Cigarrenfabrikbesuche hatte ich am vorletzten Urlaubstag mit einem Aficionado aus Nürnberg und dessen Frau. Eingefädelt wurde der Besuch durch großartige Unterstützung von Freunden der 5thavenue in Deutschland. Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis unser Taxifahrer El Laguito (Cohiba) gefunden hat. Auch ein paar Passanten wußten es auf Nachfrage nicht besser, auch wenn (wie sich später herausstellte) man nur 500m Luftlinie vom Gebäude entfernt war. Nur durch unser fotografisches Gedächtnis war es möglich, dass wir den Fahrer zum richtigen Gebäude lotsten konnte. Der Besuch war bei weitem nicht mit so großem Tamtam verbunden wie 2013, als wir mit einer größeren Delegation dort waren. Man hat uns nicht erwartet, erst nach mehrmaligem internen Nachfragen konnte jemand mit dem Besuch aus Deutschland etwas anfangen. Kurzes Händeschütteln mit dem Präsidenten der Fabrik und schon ging es mit einem doch sehr motivierten Guide durch die Räumlichkeiten. Viel gesehen hat man nicht. Das halbe Gebäude sowie alle Nebengebäude befanden sich im Umbau. Man rüstet sich wohl schon für die Kadenzen, die der amerikanische Markt erfordert. Nach einer Pause bei Jimenez ging es weiter zu Partagas. Auch Partagas erlebt eine Generalüberholung – das Ausweichgebäude befindet sich unmittelbar hinter der H. Upmann- Fabrik im Zentrum. Zwar bekamen wir hier den Häuptling der Fabrik gar nicht zu sehen. Unser Führer war aber vom allerfeinsten. Hochmotiviert und voller Stolz auf sein Produkt hat er geplappert wie ein Buch. Und ich muß gestehen: Auch ich konnte auch beim 5. Mal noch etwas dazulernen. Zudem handelt es sich um eine richtige Fabrik, mit großen Galeren und dem anderen Drumunddran. Dem Führer konnten wir auch die Aussagen entlocken, dass Kuba tatsächlich versucht jedes Jahr die Produktion um 4% zu steigern – darauf muß man nicht nur auf den Feldern, sondern auch in den Fabriken reagieren. Hintergrund ist natürlich die prognostizierte Öffnung des US- amerikanischen Marktes. Auch daraus wurde kein Geheimnis gemacht. Übrigens: Wir durften fotografieren. Das muß man wirklich erwähnen, da es selbst so manchem V.I.P. während des Habanos Festivals nicht gestattet war. Bei El Laguito war das nach kurzer Nachfrage kein Thema. Bei Partagas kam zwar beim Anblick der Kamera schnell ein Aufpasser gesprungen, aber unser Führer machte die Fotoerlaubnis mit den Worten „special guests“ klar.
Wie gesagt: Der Rest des Urlaubs war planlos. Ein Eckpunkt war eventuell noch der Sonnenuntergang am Malecon. Danach ging es zum Langustenessen in die Altstadt und anschließend in eine Musikbar, in der ich irgendwann als Stammgast anerkannt war. Da dort die sehr gute Livemusik mit stets 8-10 Musikern um 23 Uhr endete, verbrachte ich die restliche Zeit des Tages bis meist 3 oder 3.30 Uhr am Malecon mit einer Flasche Rum und ausreichend Havannas. Dort wurden einem selbstverständlich (wie abends fast überall) Frauen und Drogen angeboten. Wenn man dankend ablehnte, reagierten die Muchachos mit temperamentvollen Unverständnis. Eine Zeit lang wurde ich sogar als schwul gehandelt, da ich davon ausging, daß „marica“ „verheiratet“ und nicht (wie ich dann erfuhr) „Schwuchtel“ heißt.
Die langen Nächste gingen natürlich an die Kondition. Irgendwann habe ich es auch nicht mehr um 9 Uhr zum Frühstück geschafft. Aufstehen gelang mir dann eher gegen 10 oder 11 Uhr. Die erste Havanna gab es dann auf dem Balkon mit Blick auf Malecon und das Meer. Anschließend war es dann auch schon fast zu spät für größere Unternehmungen, so dass ich geradeaus zu Jimenez wanderte, um dort die Nachmittagscigarre zu rauchen. (Dort konnte ich das Spiel VfB – Bremen sehen. Zwar zwei Tage zeitversetzt, aber ohne Zugriff auf Medien (abgesehen von der Grandma) wußte ich nicht das Ergebnis und fand somit das Spiel sehr spannend.). Anschließend nochmal Frischmachen im Hotel, kleine Cigarre und schon war es wieder Zeit für den Sonnenuntergang. An einem Vormittag war ich noch am Playa del Este, Santa Maria, auf Höhe des Tropicoco. Dort habe ich natürlich die Casa Siete besucht, wo ich mit 7 Kumpels 2006 meinen Junggesellenabschied feierte. Eine Reminiszenz sozusagen.
Havanna ist in den letzten zwei Jahren nicht schöner geworden. Bauarbeiten überall mit dem entsprechenden Lärm trüben das Erlebnis. Die neuen US- Touristen benötigen weitere Hotels, daran arbeitet man fieberhaft. Die Amis sind schon da. Vor allem im Hotel Nacional fallen sie unangenehm auf. Laut, auffällig, ein bisschen im Stil von Kolonialherren. Auch die Altstadt hatte vor allem samstags einen Publikumsverkehr wie die Stuttgarter Königsstraße. Auch abends ist die Stadt proppevoll. Mal eben spontan Rast im Cafe Paris zu machen, geht nicht mehr. Das erinnert inzwischen an Studentenkneipen in Madrid. Bei Jimenez hat man das Mehr an Touristen auch gemerkt. Deutlich besser frequentiert war der Laden. Seine Cigarrenvorräte sind auch nicht mehr das, was es früher einmal war. Seine Hausmarken passen inzwischen in einen Humidor, der die Größe zweier aufeinander gestapelten Bierkästen hat. Ein paar Hundert Cigarren passen da rein. Immerhin scheint der Nachschub gesichert. Als ein deutscher Kollege die letzten Behike 56 kaufte, war es kein Problem den nächsten zwei Aficionados weitere 100 dieser Sorte binnen weniger Tage zu beschaffen. Und auch ich habe natürlich ohne Einschränkung die Cigarren bekommen, die ich wollte.
Ach ja: die Preise versauen die Amis auch. Der Aficionado aus Nürnberg stand auf Oldtimerfahrten. Und während man diese 2013 noch für 10 CUC bekam, läuft heute nichts mehr unter 20 CUC. Verhandeln bringt nichts. Da bleiben die meisten lieber stehen – der nächste Ami ist meinst nicht weit. Und die zahlen den Preis. Von Vorteil dieser Entwicklung war das deutlich gestiegene Angebot an Restaurants... das war es eigentlich. Vielleicht 2017 wieder. Aber wenn sich der Touri- Markt wie prognostiziert mit Amis füllt, wird der alte Charme von Havanna nicht mehr an allen Ecken zu finden sein. Anbei ein paar Bilder. Ich mußte mich bei der Wahl einschränken. Es sind immer noch 58 Bilder geworden. Dennoch sind ein paar Klassiker der strengen Auswahl zum Opfer gefallen. Aber zum fünften Mal Mogotes... wer will das schon. Danke an alle, die mit Lesen bis hier durchgehalten haben. Bild ANKLICKEN für eine Großansicht.